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Plötzlich chronisch krank

Seit April behandeln wir Selini, da sie immer wieder einseitige Ohrenentzündungen hat. Wir waren in einer normalen Tierarztpraxis, es sah ja nicht wie ein großes Ding aus, das viel Expertise benötigt. Ganz zu Anfang fiel uns außerdem bei ihr auf, dass Selini ungern in die Höhe geht und nicht so gern hoch springt, obwohl sie es gut könnte. Wir dachten zuerst an ein Problem im Bewegungsapparat, sprachen es in der Tierarztpraxis an und uns wurde zu einer osteopathischen Behandlung geraten. Die brachte jetzt nicht den Durchbruch. Mit spielerischem Training wurde sie sicherer, balancierte besser und war ansonsten ja super sportlich und aktiv. Daher nahmen wir an, dass sie irgendwann eine blöde Erfahrung gemacht haben muss, vielleicht aus großer Höhe gefallen war und sich dabei weh getan hat.

Ein weiteres Thema war ihr Fressverhalten, das ich auffällig fand. Sie ist eine mäkelige Katze, frisst lieber Trocken- als Nassfutter und es war nicht vorhersehbar, welche Sorte sie akzeptieren würde. Futterumstellungen aus dem Lehrbuch funktionierten nicht wirklich. Typisch Katze? Ich ging mit ihr zu einem ausgewiesenen Zahnspezialisten, der ihr ein ausgezeichnetes Gebiss bescheinigte. Zwischendurch hatten wir eine gute BARF-Phase, und sie fraß ohne Probleme Fleischbrocken, die eher für mittelgroße Hunde gewolft waren. In den sechs Wochen (es war eine Ausschlussdiät, um zu schauen, ob die Ohrprobleme evtl. allergiebedingt waren) nahm sie 400 g zu, was uns sehr freute. Ihre Zähne waren also wirklich in Ordnung. War ihr Fressverhalten also doch nur eine Marotte?

Zurück zu ihrem Ohr: Seit April spülten wir, ließen Abstriche ins Labor schicken, gaben verschiedene Antibiotika hinein und machten wie gesagt eine Ausschlussdiät. Ende August nach sechs Wochen Ausschlussdiät, während der sie kein Antibiotikum bekam, sah das Sekret in ihrem Ohr plötzlich weiß aus und ich war ganz erschrocken, da ich sofort an Eiter dachte. Wir gingen gleich wieder in die Tierarztpraxis, die Tierärztin beruhigte mich, es wurde wieder ein Abstrich des „Sekrets“ gemacht und auf Grundlage des Befundes wieder ein Antibiotikum gegeben, dem sich danach eine Behandlung mit einem Cortison (lokal ins Ohr gegeben) anschließen sollte. Das Antibiotikum brachte nichts und das Cortison-Mittel ergab für mich überhaupt keinen Sinn.

Es war mittlerweile September und das war der Punkt, an dem ich mich endlich an die Uniklinik gewandt habe. Im Oktober hatten wir einen ersten Termin und ich kam sehr ernüchtert heraus: Im Ohr stand ein Eiterspiegel, es waren alle möglichen Erreger sichtbar und es musste sofort wieder mit einem (anderen) Antibiotikum behandelt werden. Und jetzt die entscheidende Aussage: Ohrenentzündungen bei Katzen entstehen (anders als bei Hunden) nicht einfach so, es liegt in der Regel eine tiefergehende Veränderung im Ohr vor, damit sich Erreger dort ansiedeln. Sehr häufig sind bei jungen Katzen Polypen, die zu unglaublichen Ausmaßen anwachsen können.

Anfang November hatten wir einen CT-Termin und das Ergebnis hat mich total schockiert. Selinis gesamtes Mittelohr ist mit einer Masse ausgefüllt, die dort nicht hingehört, sie wächst schon aus dem Mittelohr hinaus und das Trommelfell ist nicht mehr intakt. Das Mittelohr ist im Vergleich zur gesunden Seite bereits vergrößert und der es umschließende Knochen verändert. Wir hoffen weiterhin, dass es „nur“ ein Polyp und nicht doch etwas anderes ist.

Mitte November hat sie ihren OP-Termin, in der die Masse entfernt wird. Es ist zwar für erfahrene Chirurginnen und Chirurgen eine Routine-Eingriff, aber am Kopf laufen Gesichtsnerven entlang, die höchstwahrscheinlich gereizt werden und zu Komplikationen führen werden (Horner-Syndrom). In der Regel regenerieren sie sich zum Glück wieder.

Warum schildere ich das hier so ausführlich? Anscheinend ist es unter Tierärzt:innen kein Allgemeinwissen, dass Ohrenentzündungen bei Katzen nur ein Symptom für tiefer liegende Probleme sind. Wenn die behandelnde Tierärztin und auch die Dermatologin im Labor, das die Abstriche verarbeitet hat, es gewusst hätten, hätten wir keinen halbjährigen, sinnlosen Behandlungsmarathon hinter uns. Vielleicht wäre die Masse in ihrem Ohr nicht auf diese Ausmaße angewachsen. Vielleicht hätte sie jetzt gar nicht diese OP gebraucht, sondern der Polyp hätte minimal invasiv „gezogen“ werden können.

Plötzlich ergeben auch ihre anderen Symptome einen Sinn: Wahrscheinlich ist ihr Gleichgewichtssinn gestört, daher ist sie in der Höhe unsicher. Wahrscheinlich hat sie durch das veränderte Ohr Schmerzen und mag daher manchmal nicht richtig kauen.

Es tut mir sehr leid, dass ich erst so spät auf die richtige Spezialistin in der Uniklinik gestoßen bin.

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